Bei dieser Überschrift komme ich mir vor wie der Urheber einer dieser seltsamen Spam-Anzeigen, die man online immer wieder sieht. Keine Ahnung, was sich hinter denen verbirgt, denn ich habe noch nie eine davon angeklickt. Aber da ich immer wieder auf meine Sprachkenntnisse angesprochen werde, gehört dazu wohl mal ein Artikel hier gepostet. Und der braucht eine schmissige Überschrift 🙂

Zunächst einmal stellt sich die Frage, was “Sprachtalent” eigentlich ist. In meinen Augen hat Talent weniger mit einer angeborenen Fähigkeit zu tun als viel mehr mit der Faszination für etwas. Und in der Folge daraus, wie viel Zeit und Hirnschmalz man bereit ist, dafür zu investieren (es gibt nicht umsonst die 10.000-Stunden-Regel). Ich finde den Prozeß des Sprachenlernens einfach unglaublich faszinierend und ich glaube, das ist eine Grundvoraussetzung, um sich eine Sprache relativ schnell und mit hoher Intensität anzueignen. Ob diese Faszination nun angeboren ist oder nicht, darüber ließe es sich wiederum trefflich diskutieren…

Soweit die Theorie. Jetzt aber zu der Umsetzung in der Praxis. Es wird sicher deutlich, daß ich kein großer Fan von Sprachkursen bin – weder im Klassenzimmer noch mittels irgendwelcher Softwareprogramme. Das soll nicht heißen, daß solche systematischen Methoden nicht auch funktionieren. Aber mein Weg ist eher der mit Fleisch und Blut.

Das funktioniert in meiner Erfahrung so:

1. Eigne dir einen Grundwortschatz an.

Damit du dich ausdrücken und an Gesprächen teilnehmen kannst, brauchst du zuerst einmal eine Basis. Die muß für den Anfang gar nicht groß sein. Mit einigen Hilfsverben (haben, sein, gehen, dürfen, müssen, wollen, mögen…), ein paar häufig gebrauchten Vokabeln (müde, hungrig, glücklich, bitte, danke…) sowie ein paar kurzen Standardsätzen (z.B. Wie heißt du? Wo ist…? Schön, dich zu treffen! usw.) schaffst du schon einen einfachen Gesprächseinstieg.

2. Misch dich unter Muttersprachler.

Ob du dazu das Land bereist oder regelmäßig zum Sprachstammtisch gehst – sich möglichst bald mit Muttersprachlern zu umgeben, ist das A und O beim Sprachenlernen. Hör bei Gesprächen immer zu, egal, ob du den Inhalt verstehst oder nicht. So bekommst du recht schnell ein Gefühl für die Sprache und schnappst neue Vokabeln und Redewendungen auf.

3. Fang an zu sprechen.

Geh von Anfang an aktiv auf die Leute zu. Selbst wenn du nur nach dem Weg oder der Uhrzeit fragst. Komm mit Leuten ins Gespräch – vor allem mit denen, die keine Fremdsprache können (zB alte Leute oder Kinder). Bitte ansonsten wenn nötig darum, in der Landessprache zu kommunizieren, falls das Gegenüber dir mit seinen Sprachkenntnissen zur Hilfe kommen will.

Es geht nicht darum, einen perfekten Satz rauszuhauen. Selbst wenn es nur ein Mini-Dialog voller Fehler ist, die Leute werden dich trotzdem verstehen und deine Anstrengungen honorieren.

4. Lies alles, was du in die Hände bekommen kannst.

Lies die Angebote im Supermarkt, die Hinweisschilder am Straßenrand, den Werbetext auf der Müslischachtel und die Speisekarte im Restaurant. Und kauf dir Zeitschriften. Lies zuerst die kurzen Bildunterschriften oder die Anzeigen, später immer größere Textportionen. Die Schlüsselwörter, die du nicht verstehst, schlägst du nach.

5. Stell das Navigationsgerät auf die Landessprache.

Du hörst hier immer wiederkehrende, einfache Sätze; das grafische Interface hilft dir dabei, das Gehörte zu verstehen (und die Ausfahrt nicht zu verpassen). Ok, das solltest du vielleicht nicht zum ersten Mal ausprobieren, wenn du durch eine vielbefahrene, fremde Innenstadt navigieren mußt… 😉

Und wenn wir gerade schon im Auto sind…

6. Hör Radio.

Daheim habe ich eine gewisse Radioallergie (als hochsensibler Mensch vertrage ich die laute, aufdringliche Werbung und das sich ständig wiederholende Gedudel einfach nicht). Aber wenn ich im Ausland bin, habe ich im Auto immer das regionale Radio an. Hier gibt es von allem etwas: Nachrichten, Wettervorhersage und natürlich Musik.

Hör bei allem aktiv zu. Wenn dich ein Lied emotional anspricht, dann übersetze es dir in Eigenarbeit (nicht mit Google translate!). Denn Mitsingen und wissen, was man singt, macht noch viel mehr Spaß als nur anhören 😀

7. Sieh dir Filme im Original mit Untertiteln an.

Funktioniert in beide Richtungen: Fremdsprache mit deutschem Untertitel oder umgekehrt. Du wirst durch die Kombination von beidem recht rasch deinen Wortschatz vergrößern.

8. Mach Sprechübungen.

Ob daheim unter der Dusche oder wenn du im Auto sitzt: Wiederhole Gehörtes und vor allem Sachen, die dir schwerfallen. Lies dir selbst vor. Übe einzelne Laute oder ganze Sätze so lange, bis du sie drauf hast.

9. Suche Geselligkeit.

Versuch’ recht bald, dich mit Leuten über einem Essen oder einem Kaffee auszutauschen. Geh auf traditionelle Feste. Nimm’ jede Einladung an, irgendwo dabei zu sein.

Ich glaube, die Eß- und Feierkultur ist das Herzstück einer jeden Volksseele. Beteilige dich am Geschehen, stelle Fragen und sei ehrlich interessiert, ohne zu bewerten. Die meisten Leute freuen sich, wenn jemand mehr über ihre Gepflogenheiten wissen möchte, und erzählen gerne.

Fazit: Laß’ es auf allen Kanälen funken

Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit (falls dir noch etwas einfällt, laß es mich in den Kommentaren wissen!). Auch eine Garantie gibt es nicht, damit nach 6 Wochen eine neue Sprache perfekt drauf zu haben. Aber es sind meine erprobten Mittel, mit denen ich u.a. nach einem halben Jahr fließend Isländisch gesprochen habe und mich nach wenigen kurzen Spanienreisen halbwegs unterhalten kann (an meinem Spanisch arbeite ich gerade mit Hochdruck – und mit viiiel Freude ;-)).

Unterm Strich kann ich nur empfehlen: Saug’ alles auf und umgib dich auf möglichst vielen Sinnesebenen mit der Sprache. Und hab’ Spaß dabei, jeden Tag  dazuzulernen! Du wirst erst nur Bedeutungsfetzen verstehen, aber dein Hirn wird schnell lernen zu interpolieren und du wirst dir so bald immer mehr erschließen. Ohne Hokuspokus, ohne ein geheimes Superprogramm, einfach nur mit Interesse und ein bißchen Fleiß.

Stürz dich also in dieses Abenteuer, ohne Rücksicht auf Verluste. Und ganz wichtig:

Hab’ keine Angst davor, Fehler zu machen. Denn wir können so viel mehr, wenn wir unsere Furcht davor ablegen, uns zu blamieren.

Eine Sprache zu lernen ist nicht zuletzt gelebte Integration! Es bedeutet, die Kultur eines anderen zu respektieren und verstehen zu lernen. Sprachkenntnis öffnet einem Türen und Herzen. Perfektion ist nicht das Ziel, die Intention zählt viel mehr.

Ich wünsche dir ganz viel Spaß dabei und wenn du magst, kannst du hier von deinen eigenen Erfahrungen berichten. 🙂

7. Juni 2019 · 1079 Worte