Als ich im alten Jahrtausend meinen ersten Islandaufenthalt plante, habe ich viele ungläubige Blicke und verständnislose Fragen geerntet. “Island? Was willst du denn da…?” “Da ist’s doch immer kalt?!” “Ach ja, da gibt’s doch die zotteligen Ponies…” waren einige der Reaktionen.
Seither hat sich viel verändert. Mittlerweile hat sich Island einen festen Platz auf der Reiseagenda der meisten Naturliebhaber erobert und die Rezeption ist eine ganz andere als damals. Aber dennoch halten sich einige Gerüchte hartnäckig. Ich will mal ein paar davon hier beleuchten und sehen, was wirklich dran ist.
Bestimmt lernst du sogar als Islandkenner noch das eine oder andere hinzu… 😉
1. Wenn dir das Wetter zu schlecht ist, warte 10 Minuten
Kann ich bestätigen. Das Wetter auf Island ist äußerst wechselhaft, schließlich bekommt die Insel im Nordatlantik sämtliche Wettererscheinungen vom Meer ungebremst ab.
Das hat aber auch seine guten Seiten: Durch die weite Sicht in vielen Landesteilen ergeben sich faszinierende Wetterstimmungen, und meist ist irgendwo ein Regenbogen sichtbar. Die Isländer leben mit dem Wetter und passen sich darauf an. Als Besucher sollten wir das Gleiche tun und uns von Regen und Wind nicht einschüchtern lassen.
Oder eben 10 Minuten warten. 🙂
2. Wenn du dich im Wald verirrt hast, dann steh auf.
Jein. Wer Island noch von Zeiten um die Jahrtausendwende kennt, dem wird aufgefallen sein, daß sich in Sachen Wiederaufforstung in letzter Zeit viel getan hat. Davor kannte man aus Island vor allem Waldtundra mit niedrigen Bäumen, die sich zwischen Lava und Moos trotzig dem Wind entgegenstellten. Mittlerweile gibt es wieder mehr richtige Wälder, in denen man sich vielleicht noch nicht verirren kann, die aber über deutlich mehr als mannshohe Bäume verfügen.
Wiederaufforstung übrigens deshalb, weil Island vor der Landnahme größtenteils bewaldet war! Erst die Siedler holzten die Wälder großflächig ab, um Brennmaterial zu gewinnen, und gaben dem Land damit sein heutiges Gesicht.
3. Island müßte eigentlich Grönland heißen.
Habe ich von Isländern immer wieder gehört, schließlich denken wir bei Grönland (“Grünes Land”) eher an eine Eisscholle und bei Island (“Eisland”) eher an grünes Gras. Es ist also durchaus was dran an dieser Behauptung.
Die irreführende Namensgebung hat historische Gründe: Als die skandinavischen Seefahrer den Norden erkundeten, war Grönland bedingt durch eine kleine Warmzeit weniger von Eis bedeckt als heute. Außerdem hatte die Namensgebung vermutlich auch Marketingzwecke, denn der Wikingerhäuptling Erik der Rote hatte ein Interesse daran, seine Wikinger zum Besiedeln des neuen Territoriums zu bewegen, wofür “Grünes Land” doch einen größeren Anreiz gibt…
Weniger Glück hatte da der Wikinger Flóki Vilgerðarson: Seine Siedlungsbemühungen auf Island (das damals noch Garðarshólmur – Garðars Inselchen – hieß) wurden durch harte Winter erschwert, wodurch die Insel vermutlich ihren heutigen Namen erhielt.
4. Im Winter ist es doch immer dunkel?!
Es stimmt, daß die Tage im Winter sehr kurz sind. Island liegt am Polarkreis, und genauso wie zur Zeit der Mitternachtssonne der große Feuerball gerade einmal den Horizont berührt, so schafft er es zu Mittwinter kaum darüber hinweg. Allerdings ist es ein Irrglaube, daß es deshalb meistens dunkel ist: Die Sonnenauf- und Untergänge dauern ewig und dadurch ist es schon deutlich vor Sonnenaufgang hell, und auch die Abenddämmerung entsprechend lang.
Für Fotografen ist das natürlich ein Traum, wenn der Sonnenaufgang quasi fließend in den Sonnenuntergang übergeht… 🙂
5. Auf Island gibt es Elfen und Trolle
Kann keiner so genau sagen. Allerdings fällt es schwer, auf Island nicht daran zu glauben, denn auch heute noch ist das huldufólk, die “versteckten Leute”, im Volksglauben der Isländer sehr präsent. Ist ja auch kein Wunder, bei den ganzen fremdartig anmutenden Landschaften und den unerklärlichen Vorfällen, von denen mir isländische Freunde immer wieder berichten.
Es gibt sogar offizielle Elfenbeauftragte, die vor neuen Bauvorhaben konsultiert werden. So kann es schon mal sein, daß eine Straße oder ein Gebäude umgeplant werden muß, um die Elfen nicht zu stören.
6. Man braucht keine Sonnencreme
Großer Irrtum. Einen meiner schlimmsten Sonnenbrände (wenn auch nur im Gesicht, denn der Rest war bekleidet) habe ich mir beim Reiten auf Island geholt. Inklusive aufgeplatzter Lippen und unfreiwilliger Schälkur. Tja, wenn mal der Fall eintritt, daß es tagelang nur schön ist und man zufällig dann auf Mehrtagesreittour ist, bekommt man während nicht enden wollender Mittsommertage halt auch ganz schön viel UV-Strahlung ab…
Ich habe mir damals nicht anders zu helfen gewußt als mit einem Kaffeefilter, der notdürftig unter die Sonnenbrille geklemmt wurde. Aussehen: grandios, Wirkung: eher begrenzt. Also besser vorbereitet sein und etwas zum Eincremen mitnehmen.
7. Man kann nicht im Meer baden
Kommt drauf an. Es gibt in Reykjavík eine Badebucht, wo geothermales Wasser ins Meer geleitet wird. Hier hat das Wasser also angenehme Badetemperatur, was zusammen mit dem aufgeschütteten Strand schon fast Karibik-Feeling aufkommen läßt 😀
Generell ist das Baden im Meer oder anderen nicht erderwärmten Gewässern aber eher etwas für Hartgesottene, das stimmt. Was nicht heißen soll, daß man es nicht probieren sollte. Ich rate sogar unbedingt dazu. Ein Bad in eiskaltem, klarem Wasser ist belebend wie sonst kaum etwas und ich mag mittlerweile gar nicht mehr darauf verzichten, wenn sich irgendwo die Gelegenheit dazu bietet.
8. Man darf überall campen
Viele Naturliebhaber berufen sich auf das Jedermannsrecht, wenn sie beschließen, ihr Zelt irgendwo an einem schönen Fleckchen aufzustellen. Dabei gelten für das Wildcamping strenge Regeln. Die hohe Zahl an Touristen (und vor allem der Anteil derer, die einen Ort nicht so zurücklassen, wie sie ihn vorgefunden haben) hat Einschränkungen vor allem im Südland nötig gemacht:
In bewohnten Regionen sowie in Nationalparks und Naturschutzgebieten ist das Campieren generell verboten. Im Norden, Westen und Osten wird das Zelten in der Wildnis aber meist für eine Nacht toleriert, sofern es nicht ausdrücklich verboten und kein offizieller Zeltplatz in der Nähe ist. Im Zweifel sollte man mit dem Landbesitzer reden und seine ausdrückliche Erlaubnis einholen, denn auch die Isländer haben ein Recht auf ihre Privatsphäre. Das Wildcampen mit dem Wohnmobil oder Campervan ist grundsätzlich nicht erlaubt.
Man sollte diese Regeln unbedingt respektieren, wenn man möchte, daß die einzigartige Natur dieses Landes auch für die Zukunft erhalten bleibt. Und schließlich will man sich doch auch bei den Einwohnern nicht unbeliebt machen, oder?
9. Island ist ein Offroad-Eldorado
Auch hier wieder: Großes No-No.
Fahren abseits der Straßen ist überall auf Island verboten! Immer wieder meinen gewissenlose Menschen, sich den ultimativen Kick verschaffen zu müssen, indem sie die Wege verlassen. Großer Unmut bei der Bevölkerung und, wenn man erwischt wird, hohe Strafen sind die Folge. Denn der empfindliche Boden braucht Jahrzehnte, um sich von so einem Eingriff zu erholen. Also laß’ es einfach sein.
10. Auf Island leben die Islandponies
Ehm, habe ich da richtig gehört? Du willst das Pferd eines Isländers ein Pony schimpfen?
Im Ernst: Für kontinentale Reiter fallen die Pferde auf der Insel vielleicht rein der Maße wegen in die Kategorie Pony, da sie selten über 145 cm Stockmaß erreichen. Trotzdem solltest du ein Islandpferd auf der Insel nur Pony nennen, wenn du einen stolzen isländischen Pferdemenschen so richtig beleidigen willst. Mit Glück gerätst du an jemanden, der nichtsahnende Ausländer gewohnt ist und nochmal ein Auge zudrückt… 😉
Bonus-Mythos: Island ist sauteuer
Das kann ich uneingeschränkt bestätigen. Zwar ist Energie günstig, da davon im Überfluß vorhanden ist, aber fast alles andere muß teuer eingeführt werden. Der wachsende Tourismussektor und die starke Krone haben das Ihre dazu beigetragen.
Man sollte also für den Islandurlaub ausreichend Budget einplanen und nicht am falschen Ende sparen. Iß in Lokalen, die auf regionale Produkte setzen. Kauf’ ein Souvenir aus traditioneller Herstellung. Meide die Ramschläden und halte Ausschau nach Familienunternehmen. Und übernachte um Himmels Willen nicht unter dem Vordach einer Turnhalle, weil dir der Campingplatz immer noch zu teuer ist.
Fazit
Island hat so seine Eigenheiten, die man kennen und respektieren sollte. Denn nur wenn man ein Land mit Respekt bereist, wird einem als Reisender ebenfalls Respekt entgegengebracht werden.
Soweit zu den beliebtesten Island-Mythen. Fallen dir noch weitere ein? Hast du Fragen zu Island, seinen Menschen und seiner Kultur? Schreib’ es in die Kommentare!
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